Wandern mit allen Sinnen

Veröffentlicht am 14. Juli 2025 um 22:58

„Wandern mit allen Sinnen“  lautet das Motto von Ralf Augspurger aus Mannheim, Diplom-Informatiker und Weltenbummler, der seit rund 20 Jahren vollständig erblindet ist. Gemeinsam mit Ellen Kitter vom Schwarzwaldverein Ortsverein Pfalz-Weitsicht e.V. organisiert er eine Wanderwoche für Blinde auf dem Dobel.

Rund 20 Teilnehmer haben sich bereits für die inklusive Wanderwoche im Nordschwarzwald angemeldet. Neben Touren auf dem Dobel und rund um Bad Herrenalb gab es auch ein Spaziergang zum Dobler Wasserturm, der beim Klang-Kraxler Tag  auf dem Programm stand – als gemeinsames Erlebnis für Sehende und Blinde. 
„Wir wollten damit alle Sehenden einladen, die die Welt einmal mit anderen Augen zu erleben“, sagt Kitter – die damit auf der Suche nach neue Weggefährten war, die sich als Begleitpersonen für das Blinden-Wanderwochenende zur Verfügung stellen.

Gemeinsam mit dem Wegewart des Albtal-Abenteuer-Tracks, Stefan Nofer, hat bereits in der vergangenen Woche eine erste Begleittour zur Route hinauf zum Bernsteinfelsen stattgefunden. „Wir wollten herausfinden, was machbar ist – und was sehende Begleiter wissen müssen. Denn man braucht keine spezielle Ausbildung, nur ein Gespür für kleine Gefahrenstellen wie Steine, Äste oder Wurzeln“, so Kitter.
Vom Albtal-Abenteuer-Track habe sie gehört, dass dieser im wahrsten Sinne des Wortes abenteuerlich und teilweise nur mit Seilen zu begehen sei – „daher war es mir ein Anliegen, einen Teil dieser Tour mit einem Ortskundigen wie Stefan Nofer zu machen.“

Für Ralf Augspurger ist das Wandern sein Lebenselixier. Geboren ohne Iris, kämpfte er sich durch zwölf Augenoperationen. „Die Ärzte sagten damals, es halte bis 20 – am Ende waren es 40 Jahre. Und seit 20 Jahren sehe ich nichts mehr. Aber das macht nichts. Blind zu sein heißt nicht, die Welt zu verlieren – man bekommt eine neue.“ Für ihn ist klar: „Wenn eine Fee mir drei Wünsche erfüllen würde – wieder sehen zu können, wäre nicht dabei. Ich sehe genug – nur eben anders.“

Ein Kinderspiel sei die Tour zum Bernstein gewesen, sagt er schmunzelnd. Schließlich hat er bereits das Nebelhorn und den Watzmann erklommen – und war in Tibet, Indien und Afrika unterwegs. Früher bereiste er als Informatiker die Welt, heute erkundet er sie auf eigene Faust – von China über Südafrika bis in den Schwarzwald.
„Ich war nie sportlich, nie ein Wanderer – meine Eltern hatten eine Reederei, ich bin auf dem Schiff aufgewachsen“, erzählt er. Erst durch das Tandemfahren fand er zur Bewegung. Doch: „Da rauscht alles zu schnell vorbei. Die Geräusche, der Boden – das fehlt beim Radeln. Beim Wandern ist alles da.“

Stefan Nofer, der als Wegewart jeden Pfad rund um den Albtal-Abenteuer-Track kennt, zeigte sich beeindruckt: „Ralf ist extrem fit. Man muss nur Kleinigkeiten sagen: mal den Kopf ducken, ein Ast, eine Wurzel – dann läuft das.“ Und weiter: „Nach dieser Tour hätte ich kein Problem, mit ihm selbst die anspruchsvolleren Stellen des Albtal-Abenteuer-Tracks zu gehen – sogar da, wo Seile gespannt sind.“

Die rund zehn Kilometer lange Strecke wurde mit kurzen Pausen in knapp vier Stunden bewältigt. Gemeinsam genossen sie Ausblicke, Wälder und den weichen Waldboden – ganz ohne Eile. „Wandern mit Ralf macht einfach Spaß“, so Nofer. Einen weiteren Einblick in das Thema "Wandern mit allen Sinnen" gab es beim Klang-Kraxler Tag auf dem Dobel, bei dem sich Sehende von  Ralf Augspurger leiten ließen.

Wer als sehende Begleitperson dabei sein möchte meldet sich bei E.Kitter: Kontakt: SWV-Pfalz@web.de

Foto Zoller: v.l.n.r. Stefan Nofer, Ralf Augsburger, Susanne Wolf und Ellen Kitter erkundeten den Weg zum Bernstein